Vom Freiluft-AW Engstlatt" ins Bw Tübingen

 
Volker Ohne die "Schrauber" geht gar nichts! Stephan

Faszination der Lokomotiven, Romantik der Dampfeisenbahn, Genuß der Langsamen Landschaftfahrt und schnaufende Feuerrösser sind Gefühlsbeschreibungen, wie sie von den Reisenden und Fans gleichermaßen verwendet werden. Doch bei einem Blick hinter die Kulissen wird erst offensichtlich, welche Leistungen die ehrenamtlichen Museumsbahner wirklich erbringen. Bis eine Lok wieder dampfen darf, ein alter Wagen wieder Reisende befördern oder aus einem Stück Schrott wieder ein historisch gerechter Pack- oder Güterwagen aufgebaut ist, sind viele ungezählte Stunden notwendig. Die Freude an der Bahn läßt auch so manche Mark Taschengeld oder das Ersparte für einen Urlaub zu Gunsten des Hobbys in die Vereineskasse wandern. Doch hinter diesem Engagement steckt vor allem Menschen. Ganz wichtig sind die „Schrauber". Weitsichtige Männer, die anstelle eines neuen Autos lieber eines der letzten Stangenbohrwerke von der DB kauften. Bahnfreunde, die das geliebte „Heilix-Blechle" lieber unter der Laterne parkten, weil die Garage mit Gußofen und Fräsmaschine belegt war. Doch nicht nur Männer, sondern in der Zwischenzeit auch einige Frauen haben es längst aufgegeben, die Fingernägelränder wieder absolut sauber zu bekommen. Denn ohne sich die Hände schmutzig zu machen, läuft keine der Museumsbahnen. Es erfordert viel Schweiß, Fachwissen und manchmal auch im wahrsten Sinne des Wortes mehr als einen Tropfen Blut, bis eine Lok wieder die ersten Meter fahren kann.

Harald   Enthusiasmus? Ohne diesen ging nichts und er hat sich bis heute gehalten. Doch werfen wir zunächst einen Blick zurück zu den Anfängen. Da hatte die EFZ gerade die 64er und unter den ersten Fahrzeugen war auch der Werkstattwagen. Und dieser war auch notwendig. Rechtlich hat der Verein seine Heimat in Balingen, doch wohin mit den Fahrzeugen? Was tun, wenn bei Sonderfahrten abseits des Heimatsitzes eine Bedarfsreperatur durchgeführt werden muß? In den ersten Jahren war man über jeden Schrotthändler froh, der für Stunden seinen Überladekran zur Verfügung stellte oder ein Stück Bronze für eine Lagerbuchse entbehren konnte.

Doch so schnell wie der Fahrzeugpark wuchs, kam auch das Problem - wohin mit den Wagen und Loks wenn nicht gefahren wurde und besonders dann, wenn diese aufgearbeitet werden sollten. Was tun, wenn Schäden zu beheben waren. Das letzte Dampflokausbesserungewerk der DB in Braunschweig hatte seine Pforten längst geschlossen. Fachkunde und Eigeninitiative war gefragt. Man lernte Vorschriften, saugte das Wissen bei den noch vorhandenen alten Hasen. Das Sägewerk Schneider in Engstlatt (bei Balingen) bot eine erste Heimat. Der holzverarbeitende Betrieb hatte einen eigenen Gleisanschluß und so manches EFZ - Fahrzeug überwinterte auf diesem. Das „eben im Wasser" liegende EVU - Trafo - Lagergleis von Engstlatt war hilfreiche Arbeitsbühne. So wurde der kleine Ort kurz vor Balingen zur ersten technischen Heimat der EFZ. „Eugen mit seiner Johanna" und ihre Bahnhofswirtschaft waren unentbehrliche Verpflegungstation und sowohl der Rostbraten als auch der Wurstsalat sind längst in die Vereinsanalen eingegangen.

Doch trotz der herzlichen Bindung - eines fehlte, ein Dach. Alle Arbeiten fanden im Freien statt. Bei minus 150Celsius eine Lok aufzuarbeiten erforderte mehr als Enthusiasmus. Die Finger blieben beim Wechseln des Aschkastens am Stahl kleben, das Öl der Hebeböcke war zäh und die Spindeln schwergängig und oftmals bis zu 40 cm Schnee freigeräumt werden, um an Loks oder Wagen zu kommen. Doch die nächste Fahrsaison nahte und die Loks mußten fertig werden.

Oder das Gegenteil gefällig? Bei einer Sonderfahrt brach an einer stark beanspruchten Stelle ein Einströmrohr in der Rauchkammer. Normalerweise toben dort Rauchgase mit um die 500 - 6000C. Nach dem Abstellen der Lok ließ man das Feuer niederbrennen. Normalerweise dauert es rund einen Tag, bis ein Kessel und die Tonnen des darin aufgekochten Wassers halbwegs abgekühlt sind. Doch nachmittags sollte die nächste Sonderfahrt sein. Was tun? Nach ca. 3 Stunden stand einer der „Schwarzen" mitsamt den Kleidern unter den Wasserkran und duschte. Danach schnappte er sich den Schweißbrenner und mit heroischem Schwung verschwand er in die absolut heiße Rauchkammer um die notwendigen Schweißarbeiten zu erledigen. Nach zwei Minuten ist bei so einer Hitze das Wasser von den Kleidern fast weg gekocht, die Schuhsohlen können nur mittels Isolierbrett vom Abschmelzen bewahrt werden, die Harre fangen an zu sengen. Doch erst mit dem Fertigstellen der Schweißraupe tauchte nun krebsrote „Bepe" Hömens wieder aus dem schwarzen Schlund. Die Sonderfahrt fand statt.

„Wenn man etwas nicht muß, sondern freiwillig tut, macht (fast) jeder Arbeit Spaß!"

Mit dem Dampfverbot der DB wurden die Bewegungsmöglichkeiten weiter erschwert, teure Überführungsfahrten für die kalt geschleppten Dampfloks notwendig. Wie oft mußten vor den Überführungen zur Schonung die Schieber aus- und anschließend wieder eingebaut werden?

Da ein Großteil der Museumsfahrten nun hauptsächlich auf dem Streckennetz der Hzl stattfanden, suchten die „Zollernbahner" nach Entlastung, in Engstlatt war einfach zu wenig Platz. In Hechingen gibt es eine Gleisverbindung zwischen DB-Bahnhof und dem Streckennetz der Hohenzollerischen Landesbahn. Von Gleis „1" führt ein „Sägezahngleis" zum tiefer gelegenen Landesbahnhof. Im Dreieck zwischen dem Abzweig - Gleis und dem Streckengleis nach Tübingen stand anfänglich noch ein alter hölzerner Lokschuppen, der zunächst noch zeitweise mitbenutzt werden konnte. Das parallel zum Streckengleis liegende Ausziehgleis konnte als Wagenstellfläche angemietet werden. Ein kleines Nebengebäude wurde erste feste EFZ - Werkstatt. Jahre später konnte auch das dann überflüssig gewordene Hechinger Stellwerk als Aufenthaltsraum, Duschmöglichkeiten und Lager hinzu gewonnen werden.

Der Lokschuppen ist längst abgerissen, das Verbindungsgleis zur Hzl ist durch eine direkte geradlinige Gleisanbindung in seiner ursprünglichen Bedeutung überflüssig geworden. Die EFZ sind bis heute hier weiterhin präsent, die Abzweigweiche ist Gleisanschluß der EFZ. Doch auch das „Bw Hechingen" platzte bald aus allen Nähten. Vier Dampfloks (damals Lok 10, 80 106 (beide nicht mehr beim Verein), 64 289 und 52 7596), sowie über zwanzig Wagen wollten versorgt werden.

Eine erste Entlastung brachte das Anmieten von Gleisen im Bw Stuttgart. Das alte Lagerhaus mit seiner vorgelagerten Schiebebühne verfügte zudem noch über eine Achssenke, die bei der einen oder anderen Lagerreperatur oder beim Federpaketwechseln gute Dienste tat. Besonders größere Untersuchungen und Reparaturen konnten nun unter Dach und bei halbwegs erträglichen Temperaturen durchgeführt werden. Die anstehende Aufarbeitung der 80 106 fand dort genauso statt, wie auch die Aufbau - Erneuerung der 64 289, die neben anderen Arbeiten in Stuttgart eine neue Rauchkammer, neue Wasserkästen und einen komplett neuen Tenderaufbau bekam. Doch auch Stuttgart war nur eine Lösung auf Zeit, die Strukturreform der DB forderte ihren Tribut. Teile des Lagerhauses und damit die Heimstatt der GES (Gesellschaft zur Erhaltung von Schienenfahrzeugen e.V. Stuttgart) und auch die Gleisstände, die von der EFZ genutzt worden waren, fielen der Spitzhacke zum Opfer. Der nächste Umzug der Blaumänner - die eigentlich meist schwarz sind - stand an. Die strukturellen Veränderungen bei der DB, der langsame Rückgang des Güterzugverkehrs, die längeren Standzeiten der Fahrzeuge ließen im Bw Tübingen einige Gleise entbehrlich werden. Um es vorweg zu nehmen, auch in Tübingen blieb man vor teilweise gravierenden Umzügen nicht verschont. Erste Heimat war 1985 der hölzerne Langschuppen, in dem auch die Waschanlage eingebaut war. Hier konnte die Lok 10 eine Zwischenuntersuchung erhalten und als weitere Großtat wurde bei der in Eigenregie durchgeführte HU (Hauptuntersuchung) der 52 7596 deren Tender wieder in den Ursprungzustand als Wannentender ohne Zugführerkabine zurückgebaut. Schwermaschinenbau und Feinwerktechnik sind gleichermaßen gefragt. Immerhin mußten beispielsweise zum Ausachsen der 52er rund 90 Tonnen in die Höhe gehievt werden und dies alles mit handbetätigten hochübersetzten Hubböcken.

Der Holzschuppen war von den Arbeitsbedingung günstig, aber nicht mehr in bestem Zustand. Mehr und mehr rann Regen durch das Dach und als erste Teile der Halle wegen Einsturzgefahr gesperrt wurden, war der nächste Umzug programmiert. Der Holzschuppen ist inzwischen abgerissen.

Das Bw Tübingen in seiner ursprünglichen Bausubstanz besteht aus zwei hintereinander liegenden geraden Querhallen, zwischen denen sich eine großzügig demissionierte Schiebebühne befindet. Die beiden Querhallen sind auf der Nordseite durch die Verwaltung - und Sozialgebäude miteinander verbunden. Aus der Luft wirken diese drei Bauflügel wie ein Großes „F". Im vorderen großen Querhaus des Bw Tübingen konnten zwei Gleise angemietet werden und auch für die lange ersehnte Werkstatt fand sich endlich ein geeigneter Platz. Auch stand eine Fläche für Ersatzteil- und Werkstofflager zur Verfügung, wo endlich die über lange Jahre geretteten Reparaturteile sortiert und geordnet werden konnten.

Dieser Platz war auch dringend notwendig, denn mit der Wiedervereinigung Deutschlands kam weiterer Zuwachs in den Lokpark der EFZ. 50 245, 52 8055, 44 1616 und später noch die 01 519 brauchten technische Wartung, ein Zuhause und die immer notwendige Pflege. Auf einem der Gleise im hinteren Querhaus hatten sich zwischenzeitlich auch die Zahnradbahnfreunde Honau - Lichtenstein eingemietet, die sich zur Aufgabe gestellt haben, die Zahnradlok 97 501 wieder betriebsfähig aufzuarbeiten.

Wieviel Aktive mühen sich täglich und kümmern sich um die Loks? Zuwenig? Etwa ein Dutzend Techniker um den Maschinenreferenten Harald Brendler halten die Dampfer am Laufen. Auch die zeitweise Inanspruchnahme des ehemaligen Reichsbahn - Ausbesserungswerkes Meiningen brachte zwar nach der Wende jeweils kurzfristig Entlastung (und kostet eben auch immenses Geld), die „Alltags - Wehwehchen" und Verschleißreparaturen bleiben aber allzeit präsent. Immer denn, wenn gerade auch nur angesetzt wird einmal Luft zu holen oder begonnen wird aufgeschobene Arbeiten anzugehen, ist wieder eine Stopfbuchse fällig oder eine der Loks braucht außerplanmäßig ein neues Stangenlager.

Die Realisierung des Nahverkehrs und die damit verbundene teilweise Loslösung dieses Verkehrszweiges von der DB erzwang den nächsten Umzug. Die Hohenzollerische Landesbahn hatte bereits im Donautal durch den Einsatz von Hzl - Triebwagen regionale Leistungen übernommen. Durch das geplante Wiederaufleben des regelmäßigen Personenverkehrs im Ammertal von Tübingen bis Herrenberg, die Übernahme eines Teils des planmäßigen Personenverkehrs auf der Zollernbahn zwischen Tübingen und Sigmaringen und weitere Zugleistungen der Hzl auf dem Streckennetz der DB, bestellte die Hzl eine große Zahl moderner Adtranz „Regioshuttles". Für eine so große Anzahl von Fahrzeugen ist das Bw Gammertingen der Hzl zu klein, die Anfahrtswege sind zudem relativ lang. Zur Wartung und Pflege dieser neu beschafften Fahrzeuge soll im Bw Tübingen ein Service - Zentrum für die Zollernbahn - Fahrzeuge entstehen.

Die Stände, auf denen die EFZ „zu hause" waren, waren die am besten geeigneten. Die Werkstatt mußte abgebaut, alles Material verlagert und mit dem Fuhrpark wieder einmal umgezogen werden. In der Zwischenzeit wissen die Schrauber auswendig, was alles an Teilen vorhanden ist, sie hatten es oft genug in den Händen.

44 1616 Aber auch dieser Umzug sollte nicht der letzte sein. Seit Sommer 1998 haben die Dampflokomotiven im Bw Tübingen kein Dach mehr über dem Kopf, da sie die Gleise der vorderen Querhalle verlassen mußten. Die Schrauber sehnten sich aber wieder nach einer Halle, da manche Arbeiten im Freien nur erschwert durchgeführt werden können. Auch die strengen Winter gehen nicht spurlos an den im freien stehenden Maschinen vorbei. So erlitt die Speisepumpe der 64 289 im Winter 1998/99 einen Frostschaden. Aus diesem Grund konnte die Lok nur eingeschränkt im Jahresprogramm 1999 eingesetzt werden. Diesem dachlosen Zustand sollte durch die vorübergehende Nutzung zweier Gleise im dreiständigen Lokschuppens des Bw Rottweil abgeholfen werden.

Von einem kompletten Umzug wurde zunächst abgesehen, da Tübingen für die 'Aktiven' günstiger liegt und er eine gewisse Tradition für den Verein hat. So bleibt die Werkstatt, wenn auch unter erschwerten Bedingungen, genauso wie das Vereinsbüro (die 'Geschäftstelle') weiterhin in Tübingen.

Im Jahr 2006 wurde uns der Standort Tübingen seitens der DB gekündigt. Deshalb erfolgte der Umzug der Werkstatt, des Büros und aller Fahrzeugen nach Rottweil. Hier steht uns "endlich" wieder eine Halle mit zwei kurzen und einem langen Gleis, eine Werkstatt, divere Büro- und Sozialräume zur Verfügung. Hier kann wieder witterungsgeschützt gearbeitet werden kann. Im Febraur 2007 war der Umzug nach Rottweil geschafft.

Alle zweiundfünfzig Samstage, fast alle Sonntage (da sind ja meistens die Fahrten), nahezu alle Feiertage und den größten Teil der Urlaubstage verbringen die Schwarzen mit „ihren" Loks. Kaum ein Abend vergeht, an dem nicht Lichtschein aus der Werkstatt fällt.

Verbunden mit dem Geruch von Kohle und Öl und fast (sehn)süchtig warten nach dem oft erst nach Monaten wieder erwachenden Schnaufen, Zischen und Stöhnen der Loks. Manchmal noch ein fast zärtliches Streicheln mit der Hand beim späten nach Hause gehen.

Herzlichen Dank an die Schrauber! Ohne EUCH dampft keine Museumsbahn!

Einen Einblick in die Arbeit unserer Lok- und Wagenmannschaft finden Sie im Bereich Zollernbahn-Info und auf der Sonderseite "Hauptuntersuchung 52 7596".


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